Mentalbeschreibung
In Schweden ist es üblich, dass Junghunde der Gebrauchshunderassen, zu denen dort auch der Collie gezählt wird, ab einem Alter von ca. 12 Monaten die sogenannte Mentalbeschreibung ablegen. Auch im Falle des Collies ist die Mentalbeschreibung (MH) eine Voraussetzung für die Teilnahme an Ausstellungen oder Prüfungen im Schwedischen Gebrauchshundeklub (SBK) oder für die Registrierung der Nachkommen. Sie wird ergänzt durch den etwas später abzulegenden Mental-Test (MT), der Bestandteil der Körung ist und im grossen und ganzen ähnlich wie die MH aufgebaut ist, und den Mental-Index (MI).
Unter dem
Eindruck der Vorgaben des VDH zur Wesensbeurteilung und deren Umsetzung
durch die Rassehundevereine in Deutschland haben wir schon lange damit
geliebäugelt, auch unsere Zuchthunde in Schweden "mental" beschreiben zu
lassen, um einmal Ideen zu bekommen, wie das Thema anderenorts gehandhabt
wird.
So fuhren wir im August 2013 mit acht Hunden im Gepäck, von denen
terminlich bedingt leider nur fünf an der Mentalbeschreibung teilnehmen
konnten, zum Brukshundklubb ins schwedische Helsingborg, um teilweise im
strömenden Regen der Dinge zu harren, die da kommen würden...
Aus unserer Zucht haben bisher mit Erfolg an einer Mentalbeschreibung/Mentaltest teilgenommen: |
Sheranda`s Indian Summer Queen | Queenie | Schweden 2013 |
Wall Street`s American Aphrodite | Dita | Schweden 2013 |
Wall Street`s Bamboleo | Leo | Schweden 2013 / MT 2014 |
Wall Street`s Earthstar Excalibur | Kalle | Schweden 2013 |
Wall Street`s Earthstar Elara | Pingu | Schweden 2013 |
Wall Street`s Fantastic Fernando | Vallu | Finnland 2014/15 (Video) |
KORAD Wall Street`s Green Day | Kasper | Schweden 2014 / MT 2016 |
Wall Street`s Krewe of Claude | Kevin | Dänemark 2016 |
Wall Street`s Supertramp | Dexter | Schweden 2020 |
Der MH ist eine reine Beschreibung des beobachteten Verhaltens des Hundes.
Eine eigentliche Bewertung der Prüfung, im Sinne von Bestehen oder
Durchfallen, zur Zucht zugelassen oder zuchtuntauglich, wird nicht gemacht.
Je jünger dabei der untersuchte Hund ist, umso geringer ist der Einfluss von
erlernten Verhaltensweisen, sodass die Wesens-Anlagen besser zu erkennen
sind.
Bei der Durchführung der MH werden Hundeführer und Hund von einem Testleiter durch zehn einzelne standardisierte Stationen begleitet, bei denen jeweils von ein bis zwei Helfern bestimmte Reize ausgelöst werden. Die Reaktionen des Hundes werden von einem Beschreiber mit den Werten 1 bis 5 aufgezeichnet. Die Bedeutung der einzelnen Bewertungen kann man einem Schlüssel (haben wir sogar in deutscher Sprache bekommen) entnehmen.
Jeder einzelne Test ist auf drei Stufen aufgebaut:
1. Weckung
Der Hund wird zu
Beginn jeweils in eine bestimmte -für alle Hunde gleiche- Situation
gebracht; für einen wenig interessierten Hund z.B. soll der Test nicht
interessanter oder unterschiedlich im Vergleich zu anderen gestaltet werden,
um ihn in Aktion zu bringen.
2. Handlung
Es folgen
Simulationen, die stets den gleichen Ablauf und die gleiche Intensität für
jeden Hund besitzen sollten und die Reaktionen beim Hund auslösen sollen.
Während der Handlung ist der Hund zumeist angeleint, darf aber nicht in
Unterordnung geführt werden.
3. Abschluss - Neugier / anhaltende Angst
Für die
Mentalbeschreibung interessant ist nun, wie die Reaktion des Hundes auf den
jeweiligen Reiz ausfällt und insbesondere die Art und Weise, wie der Hund in
der Lage ist, die erlebte Situation zu verarbeiten.
Der Abschluss jedes
Tests muss dabei so gestaltet sein, dass er für den Hund nicht zu einer
neuen Stimulus-Situation werden kann (z.B. durch unsachgemässe Manipulation
der Objekte oder Bewegungen im falschen Moment).
Für die Kontaktaufnahme am Schluss des jeweiligen Tests wird der Hund häufig
abgeleint. Hierbei ist der Zeitfaktor
sehr wichtig; es sollten zeitliche Abstände von ca. 15 sec. zwischen den
folgenden Schritten eingehalten werden:
1. der Hund löst die Situation
ohne Hilfe durch den Hundeführer
2. der Hundeführer bewegt sich die halbe
Strecke auf das Objekt zu
3. der Hundeführer steht direkt neben dem
Objekt
4. der Hundeführer spricht zu dem Helfer, bzw. Objekt, und kann
den Hund rufen, wenn er nicht bereits bei ihm ist
5. ggf. kann der
Hundeführer dem Helfer helfen, seine Verkleidung zu entfernen
Sobald der
Hund einen Kontakt aufgenommen hat, sollte er nicht zu weiteren Schritten
gedrängt werden
Ein Hund, der auch jetzt noch Anzeichen von Unwohlsein
zeigt, wird vom Hundeführer mehrfach an dem Objekt vorbeigeführt, bis er
keine Anzeichen von Angst mehr zeigt.
Sollte der Hund zeigen, dass er auch mit den
angebotenen Hilfen mit der Situation nicht zurecht kommt, so kann ein
Abbruch der Mentalbeschreibung durch den Beschreiber
erfolgen. Auch kann der Hundeführer den Hund u.U. von der Mentalbeschreibung zurückziehen.
Hier ist ein Überblick über die einzelnen Stationen
"unserer" schwedischen Mentalbeschreibung:
1. Kontakt
Bei diesem Test werden die Bereitschaft des Hundes, Bekanntschaft mit einer fremden Person zu schliessen, und die Reaktionen auf den Kontakt zu dieser fremden Person beschrieben.
Zunächst wird der angeleinte Hund vom Hundeführer um
eine Zuschauergruppe herum zum Testleiter geführt,der den
Hundeführer mit Handschlag und Stimme begrüßt. Wenn der Hund bis dahin
keinen Kontakt zum Testleiter aufgenommen hat, dann spricht der Testleiter
den Hund mit seinem Namen an und nimmt sich Zeit, den Kontakt aufzubauen.
Der Testleiter übernimmt den angeleinten
Hund und versucht, ihn durch aktives Locken vom Hundeführer wegzuführen. Er
entfernt sich mit dem Hund etwa 10 m, wobei er den Hund dreimalig zu
direkten Kontakten auffordert, und geht dann zurück zum Hundeführer. Er
stoppt und lobt den Hund, bevor er die Leine an den Testleiter übergibt.
Anschliessend berührt er vorsichtig den Hund auf jeder Körperseite und
öffnet den Fang.
2. Spiel
Bei diesem Test werden die Reaktionen des Hundes beim Spielen mit einem Knotenseil und beim Tauziehen mit dem Testleiter beschrieben.
Testleiter und Hundeführer werfen sich im Abstand von
4 m ein Spielzeug
(dickes Tau) zweimal gegenseitig zu. Dann wirft der Testleiter das Spielzeug
etwa 10 m entfernt auf den Boden. Das Verhalten des Hundes und die Art des
Aufnehmens werden beobachtet. Dieser Ablauf wird zweimal wiederholt.
Anschliessend versucht der Testleiter, ein Zerrspiel mit dem Hund von max.
30 sec. Dauer zu
beginnen, bei dem er den Gegenstand vom Hund wegzieht und einmalig kurz
innehält, bevor er wieder mit dem Tauziehen beginnt und schliesslich den
Gegenstand fallen lässt.
3. Verfolgung / Jagdverhalten
Bei diesem Test wird das Bestreben des Hundes beschrieben, ein sich bewegendes Objekt zu verfolgen und zu ergreifen.
Für diesen Test werden zehn Pfähle oder Rollen
so in den Boden gesteckt, dass eine 50 m lange Zugleine im Zickzack um diese
Pfähle gelegt werden kann (beispielsweise auf einem Waldweg: fünf Pfähle
links, fünf Pfähle rechts). An dieser Zugleine wird eine Beute befestigt.
Die Zugleine wird von einer Hilfsperson schnell gezogen, sodass die Beute
sich im Zickzack um die Pfähle bewegt. Am Ende des Zickzackkurses kommt die
Beute zum Stillstand und wird dann noch zweimal kurz bewegt.
Der Hund
kann die Bewegung der Beute beobachten und wird auf Anweisung des
Testleiters laufen gelassen. Dieser Test wird zweimal durchgeführt — auch um
zu sehen, ob sich die Aktivität des Hundes beim zweiten Durchgang erhöht.
4. Aktivitätsniveau
Dieser Test beschreibt die Reaktion des Hundes in einer Situation, in der keine bestimmte Aktivität vom Hund gefordert wird.
Hund und Hundeführer bleiben drei Minuten an einem zugewiesenen Platz — etwa 10 m von den Zuschauern entfernt — stehen. Der Hundeführer verhält sich passiv, der Hund darf sich an der Leine frei bewegen. Das Verhalten des Hundes während dieser 3 Minuten wird beobachtet.
5. Kontakt auf Entfernung
Bei diesem Test wird die Bereitwilligkeit des Hundes
zu Aktivität und Zusammenarbeit mit einer fremden Person in einiger
Entfernung beschrieben.
Dieser Test wird in offenem Gelände durchgeführt. Der Helfer ist mit einem langen Umhang mit Kapuze bekleidet und kommt geräuschvoll in 40 m Entfernung vom Hund aus einem Versteck. Er begibt sich nun mit genau fest gelegtem Bewegungsablauf und Reizen zu einem zweiten Versteck. Dort legt er den Umhang ab und verhält sich ruhig. Der Hund wird nun laufen gelassen. Hat der Hund den Helfer erreicht, erhebt sich dieser und kommt aus dem Versteck hervor. Er wirft ein Spielzeug dreimal in die Luft und versucht, ein Spiel mit dem Hund zu beginnen. Wenn der Hund nicht selbstständig zum Helfer läuft, dann begleitet der Handler den Hund zum Helfer.
6. Überraschung
Bei diesem Test wird die Fähigkeit des Hundes untersucht, auf eine überraschende Situation zu reagieren, wenn er gerade nicht mit einer anderen Aktion beschäftigt ist.
Für diesen Test wird ein Balken in etwa 2 m
Höhe an zwei 4 m auseinander stehenden Bäumen befestigt. Über diesen Balken
wird eine lange Leine geführt, die an einem auf dem Boden liegenden Overall
befestigt ist.
Der Hundeführer geht mit seinem angeleinten Hund auf diese
Stelle zu. Wenn sie drei Meter Abstand zum Overall haben, wird dieser
mittels der langen Leine von einer Hilfsperson hochgezogen. Die Beine des
Overalls sind am Boden befestigt, eine Holzlatte sorgt dafür, dass die Arme
in Schulterhöhe ausgebreitet sind. Der Overall darf sich nach dem Hochziehen
nicht mehr bewegen. Sobald der Overall hochgezogen wird, lässt der
Hundeführer Leine los, bleibt stehen und handelt nur noch auf Anweisung des
Beurteilers.
Auf Anweisung (jeweils nach 15 Sek.) geht der HF die halbe
Strecke zum Overall. Anschliessend geht er bis zum Overall,
spricht mit dem Overall und hockt sich schliesslich neben den Overall. Zur
Abreaktion geht der
Hundeführer mit seinem angeleinten Hund zweimal am Overall vorbei. Dabei
achtet der Beurteiler auf noch vorhandene Ängste bzw. Neugier.
7. Geräuschempfindlichkeit
Bei diesem Test wird die Reaktion des Hundes auf unerwartete Geräusche überprüft.
Der Hundeführer geht mit seinem Hund einen vorgeschriebenen Weg entlang. Etwa 2 m neben dem Weg wurde verdeckt ein Wellblech aufgebaut, über welches nun mittels langer Leine eine Eisenkette gezogen wird. Das dabei entstehende Geräusch sollte etwa 3 Sekunden anhalten. Ähnlich Test 6 wird auch hier das unmittelbare Verhalten des Hundes und auch die bleibende Neugier bzw. Angst beschrieben und ggf. der Hund analog bei der Abreaktion unterstützt.
8. Gespenster
Dieser Test beschreibt die Reaktion des Hundes auf bedrohliche und bewegliche Objekte, die sich langsam nähern
Zwei Personen verkleiden sich mit weißen Tüchern als
Gespenster (die Verkleidung ist genau reglementiert) und nähern sich langsam
und ohne heftige Bewegungen wechselweise aus 20 m Entfernung mit einem
Anfangsabstand von 25 m dem Hund, der von seinem Hundeführer locker an der
Leine gehalten wird. In etwa 4 m Entfernung zum Hund drehen sie sich um und
bleiben stehen. Auch hier handelt der Hundeführer — wie beim Overall Test —
nur auf Anweisung des Testleiters: Er lässt den Hund laufen (wenn dies nach
Einschätzung des Testleiters gefahrlos möglich ist), geht die halbe Strecke
zu den Gespenstern, geht ganz an eines heran, spricht es an, nimmt die
Kopfbedeckung des Gespenstes ab.
9. Spiel 2
Dieser Test beschäftigt sich wiederum mit dem Spielverhalten des Hundes mit einem Knotenseil und einem Tauziehen mit dem Testleiter.
Es wird noch einmal mit dem Hund gespielt (wie in Test 2, jedoch nur einmal) und beschrieben, ob sich das Verhalten des Hundes im Laufe des Tests geändert hat.
10. Schuss
Bei diesem Test wird das Verhalten des Hundes bei Schussgeräuschen beschrieben.
In etwa 20 m Entfernung zum Hund wird mit einer 9-mm-Schreckschusspistole geschossen; zunächst zweimalig im Abstand von ca. 10 sec während der Hundeführer mit dem Hund spielt und anschliessend zweimalig im Abstand von 10 sec. während der Hundeführer mit verborgenem Spielzeug ruhig neben dem Hund verharrt. Anschliessend hat der Hundeführer wieder Gelegenheit, mit dem Hund zu spielen.
Wer sich für Wesensbeschreibungen auch in anderen
Ländern interessiert, dem sei folgender Link empfohlen:
http://www.tierschutz.vetsuisse.unibe.ch/e191756/e224004/e224515/e239763/DissertationStoll_ger_eng.pdf