Narkose beim Collie
Dorothea Stützel – Tierärztin und Colliezüchterin (Wall Street Collies)
In den letzten Jahren wurde immer wieder darüber berichtet, dass Hunde 1-2 Tage nach einem (z.T. kleinem) chirurgischen Eingriff urplötzlich ohne vorherige Komplikationen verstarben.
In den letzten Monaten haben wir versucht, über die Collierevue und auch im DCC Informationen zu den plötzlichen Todesfällen nach Narkosen beim Collie zusammenzutragen. Heute wollen wir die eingegangenen Erkenntnisse mal beschreiben. Eine streng „wissenschaftliche“ Auswertung ist leider nicht möglich, da dafür zu wenig detaillierte Informationen zu den einzelnen Vorfällen vorlagen.
Als wichtigstes ist abzulesen, dass die aufgetretenen Todesfälle NICHT vom MDR-Status des Tieres abhingen; es verstarben Tiere aller MDR-Werte (soweit bekannt). Es scheint auch keinen speziellen Zusammenhang zwischen Alter und Grund der Narkose zu geben, die meisten Zwischenfälle wurden uns aber prozentual nach Kastrationen beschrieben. Dabei muss man aber auch mit einrechnen, dass das mit der häufigsten Grund für eine Narkose ist. Angaben zu Mittel, Dosis und Vorerkrankungen fehlten, somit kann dazu keine Angabe gemacht werden.
Um jedem Colliebesitzer einen kleinen Leitfaden für zukünftige Narkosen an die Hand zu geben, hier mal ein paar Gedanken dazu, wie man das Ganze „sicherer“ gestalten kann:
Eine Narkose ist nun mal leider für einige (chirurgische) Eingriffe nötig, am häufigsten zu nennen sind wohl Kastration, HD-Untersuchung, kleinere Verletzungen und Zahnsanierung. Inzwischen haben sich die Narkoserisiken sehr gemindert, da es heute sehr schonende Mittel gibt, die sehr gut auf den jeweiligen Eingriff, voraussichtliche Dauer der Narkose und das individuelle Tier abgestimmt werden können. Hierzu sollte man sich vom Tierarzt seines Vertrauens beraten lassen.
Grundsätzlich unterscheidet man bei den Narkosen die Injektionsnarkose (entweder in die Vene (intravenös) oder in den Muskel (intramuskulär) gespritzt) und die Inhalationsnarkose („Gasnarkose“, entweder über Maske (eher nicht mehr gebräuchlich) oder Tubus).
Da jede Inhalationsnarkose immer auch zu Beginn eine Injektionsnarkose erfordert (um eine Maske aufsetzen, bzw. einen Tubus in die Luftröhre einsetzen zu können) ist es bei kurzen Eingriffen (wie z.B. beim Röntgen) meist nicht unbedingt nötig, zusätzlich eine Inhalationsnarkose durchzuführen, die bei länger andauernden Eingriffen hilfreich sein kann. Heutzutage wird hier i.d.R. ein gut sitzender Tubus (der gleichzeitig die Atemwege freihält) einer häufig schlecht abzudichtenden Maske vorgezogen.
Entscheidet man sich für eine Injektionsnarkose, so ist m.E. die intravenöse Verabreichung über einen Venenverweilkatheter der intramuskulären Injektion stets vorzuziehen, da der Wirkungseintritt hier wesentlich schneller erfolgt, die Dosierung des Narkosemittels also nach Wirkung erfolgen kann und der Verbrauch an Narkosemitteln sowie die Länge des Nachschlafes deutlich gesenkt werden kann (und somit die Narkoserisiken insgesamt). Über den Venenverweilkatheter können gleichzeitig ggf. auf direktem Weg Notfallmedikamente gegeben werden und bei länger andauernden Eingriffen eine kreislaufstabilisierende Infusion erfolgen.
Bezüglich des MDR1-Status und Narkoserisiken möchte ich gerne auf eine wichtige persönliche Beobachtung hinweisen: Gerade für die schmerzlose HD-Untersuchung bietet sich eine Kurznarkose an, bei der unmittelbar im Anschluss an die Röntgenaufnahme ein Gegenmittel gespritzt werden kann, sodass die Hunde nach ca. 15 Minuten wieder laufen können. Wir haben damit bei Collies sehr gute Erfahrung gemacht. Hierbei sehen wir regelmässig, dass wir bei MDR1 -/- Collies nur 50% der für das Gewicht berechneten Standard-Dosis des Narkosemittels benötigen, wohingegen bei MDR1 +/+ Collies häufig sogar eine etwas höhere Dosis für eine ausreichende Sedation erforderlich ist. Hier werden die Vorteile des Venenkatheters besonders deutlich: Man kann mit einer sehr geringen Dosis des Arzneimittels beginnen und je nach Wirkung bis zur benötigten Sedationstiefe nachdosieren. Auf diese Weise kann man das Narkoserisiko weiter minimieren.
Da selbstverständlich die erforderliche Narkosetiefe und -dauer vom Grund der Narkose abhängt, kann man hier keine generelle Empfehlung aussprechen ,wie z.B.: „nur DAS Mittel ist gut für Collies“. Der Tierarzt ihres Vertrauens sollte Erfahrung im Umgang mit seinen bevorzugten Narkosemitteln haben, und nach entsprechender Beratung und Vorbereitung den Eingriff vornehmen.
Bei geplanten Narkosen kann eine Blutuntersuchung ein paar Tage VOR der Narkose ratsam sein, um gerade bei älteren Hunden ggf. Beeinträchtigungen von Niere oder Leber erkennen zu können. Informieren Sie Ihren Tierarzt über Medikamentengaben, setzen Sie nichts eigenmächtig ab. Gerade übergewichtige Tiere sollten abnehmen, denn Narkosemittel werden nach Gewicht dosiert und sind „lipophil“, das heißt sie „binden sich gerne im Körperfett“ und stehen somit nicht sofort für die eigentliche Narkosetiefe im Kreislauf zur Verfügung. Das bedeutet letztendlich, der Tierarzt muss nachdosieren, und hinterher kann es dadurch zu einem längerem Nachschlaf kommen.
Wenn möglich, sollte Ihr Hund die Praxis, in der die Narkose erfolgen wird, kennengelernt haben. Des weiteren sollte er Sitzen und Liegen auf einem Tisch, sowie das Festhalten der Pfötchen geübt haben, damit er ggf. das Einlegen eines Venenverweilkatheters möglichst gelassen über sich ergehen lässt. Je ruhiger und entspannter dieser Vorgang vonstatten geht, desto weniger Narkosemittel wird Ihre Langnase brauchen.
Jeder Narkosepatient sollte zum Schutz vor Verschlucken von Erbrochenem 12 Stunden vor dem Termin fasten, Wasser darf aber i.d.R. angeboten werden.
Kommen Sie am Tag des Eingriffes selber rechtzeitig zum Termin, planen auch die Parkplatzsuche mit ein, denn Hektik/Stress am Tag der OP kann sich auf unsere Collies übertragen! Strahlen Sie Ruhe aus, bringen Sie eine eigene grosse Decke mit, dann kann Ihr Collie nachher darauf mit gewohntem Geruch aufwachen.
Grundsätzlich muss jeder Collie VOR der Narkose gewogen und untersucht werden. Wichtig ist die genaue GEWICHTSANGABE, weil durch das Fell gravierende Fehlschätzungen vorkommen können.Wenn ihr Tierarzt keine Waage in der Praxis hat, wiegen Sie ihren Hund am Morgen der OP selber zu Hause!
Gerade unsichere Collies oder Hunde, die immer den Überblick behalten wollen, wehren sich gegen die Narkose, bzw. legen sich nicht gerne hin. Bleiben Sie nach Möglichkeit ruhig dabei, bis Ihr Collie sicher schläft.
Bei uns ist es Routine, dass die Hunde einen Venenzugang gelegt bekommen, um möglichst passend die Mittel direkt in die Vene zu geben und auch, wenn nötig, mit einer Infusion den Kreislauf zu unterstützen und ggf. Notfallmedikamente direkt in den Kreislauf bringen zu können. Eine permanente Überwachung von Herzfrequenz, Atmung und Sauerstoffsättigung des Blutes des Hundes sollte Standard sein. Collies „vergessen“ kurz nach der Gabe des eigentlichen Narkosemittels manchmal gerne für 2-3 Minuten richtig zu atmen, was aber kein Grund zur Panik ist, sondern durch Animation und Überwachung durch das Praxispersonal wieder ins Lot kommt.
In der Aufwachphase neigen einige Hunde zum „Heulen“, das ist eine etwas aufreibende Phase der Narkose, die man mit Geduld und Ruhe /Nähe gut übersteht. Das hat nichts mit Schmerzen zu tun, sondern mit dem Abbau des Narkosemittels, welchen den Hund in diesen Minuten in einen etwas benebelten Halbzustand versetzt.
Wenn möglich planen Sie Narkosen in den kühlen Morgenstunden, gerade Hitze kann unseren Pelztieren doch zusetzen. Eine regelmäßige Kontrolle der Körpertemperatur, ob zu kalt, - oder überhitzt (Sommermonate) sollte erfolgen!
Nach der Narkose: Je nach Art des Eingriffs, fahren Sie erst wieder nach Hause, wenn Ihr Collie steht, sichtbar gut ansprechbar ist und evtl. sogar selber wieder laufen kann. Informieren Sie sich, ob eine Schmerztherapie zu Hause nötig ist. Geben Sie bitte NICHT selber „Menschenschmerzmittel“, einige können tödlich für Hunde wirken!
Zu Hause angekommen, sorgen Sie am Tag der Narkose dafür, das jemand das Tier überwachen kann. Der Abbau der Narkosemittel dauert länger, als die eigentliche Narkose in der Tierarztpraxis. Lagern Sie ihren Collie ebenerdig, sichern Sie Treppen, Kellertüren und verhindern Sie „Sofastürze“ von einem vielleicht doch noch nicht ganz mobilen Tier! Ca. 8 Stunden nach einer Narkose können Sie Ihre Langnase mit einer kleinen Portion wieder anfüttern, Wasser darf gegeben werden, evtl. am Anfang in kleinen Schlucken. Bedenken Sie auch, das durch den Geruch der Tierarztpraxis und auch das etwas verändertes Verhalten des Tieres andere Rudelmitglieder diesen nicht gleich erkennen oder sich ihm gegenüber anders benehmen. Trennen Sie am ersten Tag die Tiere, bis der Patient wieder „voll da“ ist. Das verhindert Bedrängen, Mobbing oder sogar Beissereien!
Jetzt noch ein kleiner Satz als Colliebesitzer ,Züchter und Tierarzt: auch aus unserer Zucht verstarben 2 Hunde innerhalb von 2 Tagen nach Kastration aus ungeklärter Ursache bei ihren Besitzern. Eine 4j Hündin und ein einjähriger Rüde wurden ohne medizinische Indikation kastriert und verstarben 1,5 Tage nach dem Eingriff. Ein Schock für die Besitzer, Ratlosigkeit bei uns, - ein Risiko besteht also immer!
Deshalb dieser Artikel; versuchen Sie zusammen mit Ihrem Tierarzt, alles „richtig“ zu machen, vermeiden Sie Stolpersteine, dann haben Sie eine sehr gute Voraussetzungen geschaffen, dass Ihr Collie wieder gut aufwacht und Ihnen die Angst vor der Narkose etwas genommen wird!
Dorothea Stützel